Familie | Agnes von Witzleben

Agnes von Witzleben
Das bekannteste Mitglied der Familie von Witzleben zu Hude und Elmeloh war Agnes von Witzleben (1761-1788). Sie wuchs in Hude auf und war das neunte Kind von Adam Levin d. J. von Witzleben und seiner Ehefrau Karoline von Sobbe. Schon mit fünf Jahren verlor Agnes den Vater, mit dreizehn die Mutter. So wurde sie Stiftsdame zu Wemmetoft (Dänemark) und nach ihrer Konfirmation kam sie zu ihrer Tante und Patin Eleonore Marie von Witzleben, die Oberhofmeisterin bei der Herzogin von Holstein-Oldenburg in Eutin war. Sie hatte eine gute Erziehung genossen, konnte mühelos Französisch sprechen und las Englisch und Italienisch. Wegen ihrer besonderen Schönheit und Anmut wurde sie bald Liebling des gesamten Hofes.

1780 kam der junge Friedrich Leopold Reichsgraf zu Stolberg als Oberschenk an den Eutiner Hof. Dort lernte er die neunzehnjährige Agnes kennen. Die Liebe entflammte und 1782 fand die Hochzeit auf Befehl am Hofe statt und nicht im schlichten Familienkreis, wie es sich die jungen Leute gewünscht hatten.
Agnes von Witzleben
Nach der Hochzeit machten sie eine Rundreise bei der stolbergschen Verwandschaft und dann nach Oldenburg, von wo aus sie mehrmals Hude und Elmeloh besuchten, ehe sie zurück nach Eutin gingen. Dort verkehrten sie mit dem Ehepaar Voss und waren auch viel bei Hofe, wo Johann Heinrich Voss aber als Enkel eines Leibeigenen nicht zugelassen war. Stolberg hatte sich ein schönes, aber sehr es Fachwerkhaus gekauft. Dort war zudem ein schöner Garten direkt an einem See.

Zu Agnes Freude wuchs ein weißer Rosenstrauch direkt am Wasser, welcher sie an die alte Huder Maréchal-Niel-Rose erinnerte. Die auch noch heute im Huder Gewächshaus existiert. Außerdem gibt es ein porträtiertes Bildnis von Agnes, welche sie mit der Witzleben-Rose zeigt.

1783 wurde Strolberg Landvogt in Neuenburg. Bei einem Aufenthalt bei ihrer Schwägerin in Tremsbüttel gebar Agnes ihren ersten Sohn, den späteren österreichischen Feldmarschall-Leutnant Christian Ernst zu Stolberg.

Im folgenden Jahr erlebte das Ehepaar Stolberg den Höhepunkt ihres Lebens, zumindest äußerlich gesehen. Sie fuhren zu einem Kuraufenthalt nach Karlsbad, aber machten unterwegs Station unter anderem in Weimar. Stolberg und Goethe waren seit langem befreundet und durch den Göttinger Hain, dessen Mitglied Stolberg war, gab es auch andere weitreichende Beziehungen, wie beispielsweise zu Herder und Wieland.

Goethe gedenkt Agnes noch 1820 nach Stolbergs Tod in Bezug auf die Streitigkeiten zwischen Stolberg und Voss mit den Worten:

„Ich habe mich selbst in ihren blühenden, schönsten Jahren an ihrer anmutigen Gegenwart erfreut und ein Wesen an ihr gekannt, vor dem alles mißwillige, Mißklingende sich auflösen, verschwinden mußte. Sie wirkte nicht aus sittlichem, verständigem, genialem, sondern aus frei heiterem persönlich harmonischem Übergewichte. Nie sah ich sie wieder, aber in allen Relationen, als Vermittlerin zwischen Gemahl und Freund' erkennn' ich sie als vollkommen.

Durchaus spielte sie die Rolle des Engel grazioso in solchem Grade lieblich, sicher und wirksam, daß mir die Frage blieb, ob es nicht einen Calderon, den Meister dieses Faches, in Verwunderung gesetzt hätte? Nicht ohne Bewußtsein, nicht ohne Gefühl ihrer klaren Superiorität bewegt sie sich zwischen beiden Unfreunden und spiegelt ihnen das mögliche Paradies vor, wo sie innerlich schon die Vorboten der Hölle gewahr werden. - Die Göttliche eilt zu ihrem Ursprung zurück.“

Den Winter 1784-85 verbrachten Stolbergs in Kopenhagen, wo Agnes die Tochter, die später Mariagnes genannt wurde, gebar. Auch in Neuenburg pflanzte Agnes einen schönen Garten an. Das dortige Glück währte nicht lange, denn Friedrich Leopold wurde schon drei Tage nach ihrer Ankunft beauftragt, am Moskauer Hof die Thronbesteigung Peter Friedrich Ludwigs anzuzeigen. Agnes begleitete ihren Mann mit den Kindern bis Hamburg und fuhr dann wieder zur Schwägerin nach Tremsbüttel zurück.

1786 konnten sich Stolbergs endlich in Neuenburg niederlassen. Am 6. November bekam Agnes ihr drittes Kind, den Sohn Andreas. Danach begann ihre intensivste Schaffensperiode. Unter dem Decknamen Psyche ließ Stolberg Gedichte von ihr in Vossens Musenalmanach veröffentlichen. Von ihr sind acht Gedichte bekannt, es ist aber anzunehmen, dass vieles verschollen ist und manches unter Pseudonymen oder im Namen ihres Mannes veröffentlicht wurde.

Am 20. Februar 1788 bekam Agnes ihre zweite Tochter, Henriette Luise Juliane, Jette genannt, die später Oberhofmeisterin in Dresden wurde. Die Entbindung verlief gut, aber bald bekam Agnes Beklemmungen, Fieberschauer und Krämpfe. Später stellten sich Delirien ein. Sie genas aber langsam. Man machte eine sehr lange und anstrengende Reise: Eutin, Kopenhagen, wieder Eutin, Plön, Tremsbüttel und endlich Hude. Ihr wurde der große Haushalt in Neuenburg mit vielen Gästen und Verpflichtungen zu viel. Am 7. November feierte man in großer Vergnügtheit Stolbergs Geburtstag. Das Ehepaar sprach sich über ihr Glück aus und genoss das Zusammensein. Abends bekam Agnes schwere Kopfschmerzen, in der Nacht Fieber, Husten und Brechreiz. Der Arzt aus Varel konnte erst am dritten Tag kommen, seine Medikamente halfen, es stellten sich Delirien ein. Am 14. November 1788 entschlief sie im festen Gottesglauben in Neuenburg. Ihr Mann ließ sie nach Brahe-Trolleborg auf Fünen zu Reventlows überführen. Die Trauer über die nur 27-Jährige war allgemein. Ihr Gatte hat diese Trauer nie verwinden können.

Text: Dr. Brigitte von Witzleben